In der taz ist Hengame Yaghoobifarah der Ansicht, dass Icona Pop Girl Power ausstrahlen, nicht sexistisch sind und queer-positive Botschaften verbreiten.
So weit, so gut und wahrscheinlich auch irgendwo wahr.
Allerdings beruht das Lob zu großen Teilen darauf, dass in den Songs der beiden nicht ständig das Loblied auf heterosexuelle oder auch nur heteronormative Zweierbeziehungen gesungen wird, dass Zweisamkeit auch die mit einer Freundin, lesbisch oder nicht-sexuell, sein kann, dass sie zunächst von vielen Plattenfirmen abgelehnt und ihnen keinerlei Chancen zugesprochen worden sind.
Zunächst zum Punkt der Ablehnung durch viele musikindustrielle Instanzen: Das „Dennoch“ gehört in die Popularmusiknarration, in der es sogar einen großen Teil der Grundlegung bildet. Jeder kann es schaffen, auch gegen Widerstände, und wenn es zunächst düster aussieht! Das ist die grundsätzliche Verheißung der (Selbst)Verwirklichung der Popmusik und Popkultur, nicht ihr Ausnahmefall. Die Geschichte des/ der Außenseiter_In, der/ die es trotzdem geschafft hat, ist in weiten Teilen die Geschichte der Popmusik, von Elvis Presley über Dusty Springfield, die Beatles, Patti Smith, Nirvana hin zu kd lang und Rush und vielen, vielen mehr in allen Genres.
There are no unlikely heroes in pop.
Die Musik: Hier wird also der Soundtrack zum Twenleben in westlichen Großstädten geliefert; es gibt Handreichungen in Form von Werbevideoclips des Coca-Cola-Konzerns, wie dieses wilde Leben nun auszusehen habe. Dagegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Allerdings erschöpft sich das ermächtigende, queer-positive und nicht mehr nur auf die Bestätigung durch heteronormative Beziehungen ausgerichtete Potential dieser Musik und dieser Band dann durch ihre Kontextualisierung möglicherweise recht schnell in Eskapismus, der durchaus dazu verleiten kann, weitere Reflexion versanden zu lassen.
Icona Pop sind bei Atlantic unter Vertrag und gehen mit Miley Cyrus auf Tour. Die Hoffnung möge nun sein, im Vorprogramm von Miley Cyrus ergebe sich die Möglichkeit, andere Lebensentwürfe, Freiheiten und Ideen zu propagieren, vor allen Dingen andere als die Botschaften der Verfügbarkeit, welche die Headlinerin verbreitet. Wer dieser Hoffnung anhängt, sollte aber nicht verleugnen, dass Popkonzerte im Jahr 2014 kaum mehr Orte des gesellschaftskritischen Dissens und Diskurses sind, sondern vor allem des Eskapismus und der Affirmation des eigenen Lebensstils. Icona Pop wirken offenbar glaubwürdiger in ihrer Erscheinungsform, wenn sie über Selbstbestimmtheit reden, auch wenn sich diese zumeist in selbstgewählten Parties ergehen, als Miley Cyrus. Miley Cyrus wählt sicherlich auch die Formen der Kommunikation und Selbstrepräsentation, die am ehesten dazu angetan sind, ihrer Botschaft nicht beizupflichten, wenn Menschen sich bestimmten kritischen, akademischen, westlichen Kohorten zurechnet. Icona Pop gebärden, kleiden und verhalten sich allerdings so, wie Menschen sich selber gerne sehen oder wie sie auch tatsächlich sind. Gegen identifikatorisches Potential ist ebenfalls nichts einzuwenden! Auf ein Spiegelbild seiner selbst allerdings Richtigkeit, Relevanz und Korrektheit zu projizieren, zeugt eben nicht in allen Fällen von Offenheit, ausgeprägten Fähigkeiten zu Abstraktion und Reflexion sowie der Akzeptanz anderer, vielleicht auch nicht als progressiv wahrgenommener Lebensentwürfe. Und noch einmal: Das ist auch nicht immer die primäre Aufgabe der Popmusik und des Duos Icona Pop! Consumerism und Eskapismus sind durchaus in Ordnung, aber sie dürfen nicht zugunsten einer kohärenten, sich selbst bestätigenden Lesart weggeblinzelt werden. Wenn hier allerdings queer positiveness, Offenheit gegenüber anderen Lebens- und Liebesentwürfen als denjenigen eines einengenden Heteronormativismus und eine Widerständigkeit gegen die Industrie behauptet werden, dann muss es erlaubt sein, diese Attribute, die Perspektive der Besprechung und die Gründe ihrer Zuschreibung ebenfalls kritisch zu durchleuchten.
Live fast, fly young. Auf dem schmalen Grat zwischen Empowerment und New Consumerism.
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